Kritische Auseinandersetzung mit dem Liedtext

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Komm was da kommen mag - Sei was da seien mag

von hier wird uns niemand vertreiben


Kein Vorwurf kann treffen - Kein Urteil uns schaden


was wir besetzt - hat uns schon gehört


schon in der ersten strophe wird der anspruch der unfehlbarkeit gestellt. in einer selbstkritischen basisdemokratischen ansammlung wie den besetzenden sollte nicht leichtfertig mit solchen dogmen umgegangen werden. die besetzenden sind fehlbar und haben nicht zwingend recht. dies zu erkennen sollte deren größte stärke sein.

hinzu kommt eine "egal, was passiert..." mentalität, die vollkommen außer acht lässt, dass das eigentliche ziel ist, die besetzung überflüssig zu machen. dadurch wird die besetzung zu einer farce, einer besetzung um der besetzung willen. hier wird aus der not (an selbstbestimmten räumen) eine tugend gemacht und das besetzen von hörsälen (und gebäuden im allgemeinen) glorifiziert. auch der letzte vers zielt auf dieses thema und hat den selben effekt. des weiteren erzeugt dieser vers eine legitimation, die auf dieser grundlage (rein rechtlich gesehen) leicht widerlegt werden kann. ein angemessenerer ansatz als die wiedererlangung von eigentum wäre zum beispiel der zivile ungehorsam. hierbei wird bewusst ein gesetz verletzt, um dadurch auf missstände aufmerksam zu machen.


Hoch den lauten Protest


hier wird protest glorifiziert mit der einzigen prämisse, laut zu sein. die frage, ob dieser protest gerechtfertigt ist, wird nicht gestellt. auch die tatsache, dass durch lauten protest leisere proteste - die evtl. keine so laute stimme haben, jedoch trotzdem (oder grade deshalb) erhört werden sollten - übertönt werden, wird nicht weiter beachtet.


Wissen ist kostbar - Bildung bleibt frei


bleibt???


Wir bleiben ewig, das Plenum
ist unsere Festung - Die Basis sind wir


durch die wortwahl "ewig" klingt es hier, als hätten "wir" eine lösung gefunden, welche für immer anwendbar wäre. warum ein solcher ansatz engstirnig ist, habe ich bereits in der kritik an der ersten strophe erwähnt. alternativ könnte auch der "ewige protest" gemeint sein. diese ewige unzufriedenheit zeugt von dem außerparlamentarischen nörglerInnentum, welches heutzutage totschlagargument ist, um kritische politik zu diffamieren. das bild, welches hier das plenum mit einer festung vergleicht, ist äußerst schlecht gewählt und nicht weiter durchdacht. eine festung ist dazu gedacht, sich von der außenwelt abzuschotten, keineN herein zu lassen und wird als sicherer ort wahrgenommen. sinn und zweck eines plenum ist es jedoch nicht, mauern aufzubauen, sondern eher eine kommunikation zu ermöglichen. außerdem ist das plenum die größte schwachstelle. und: "wir" sind nicht die basis! das mag in wien anders sein, aber die besetzenden sind hier nicht einmal 0,2% der studierenden.

Ihr seid uns sonderbar - teilnahmslos, unnahbar
und doch ist es unser aller, die brennt
 hier werden die unpolitischen/nicht teilnehmenden studierenden von einem arroganten standpunkt beurteilt. durch die ergreifung der definitionsmacht wird hier eine unkritische selbstwahrnehmung erkenntlich, die jeder zwischenmenschlichen kommunikation im weg steht und einer undefinierten, heterogenen ansammlung hinderlich ist.


Lasst sie euch zeigen - es könnte, wär' wunderbar


hier wird wieder von einem arroganten/wissenden standpunkt aus gesprochen. der autor (oder auch "wir") hat die lösung erkannt und möchte sie nun den unwissenden massen zeigen. dies zeugt von einem prophetischen grundgedanken, der grundsätzlich hinterfragt werden sollte.


anders als heute, frei, ungebremst


hier wird die gute alte wortkeule (, die - ein wort, welches lakonisch benutzt wird und dadurch immer seltener hinterfragt wird) der "freiheit" hervorgeholt. durch ebendiese verwendung verkommt dieses zu einer worthülse, einer floskel. "ungebremst" erzeugt wieder den eindruck, auf dem richtigen weg zu sein. vergleichend soll hier ohne weitere erklärung ein zitat angeführt werden, welches ebenso zu der für arbeiterlieder typischen akkordfolge und der gesangsintonation passt: "den sozialismus in seinem lauf hält weder ochs' noch esel auf!"


Hoch nun, die Schultern geschlossen


zusammen statt kleingeist - beflügelt und frei


Wir bleiben, komme was möchte


was wir befreit - hat uns schon gehört


die aufforderung "hoch nun" drückt aus, dass es wohl eine kleine gruppe "wir"-aktiver zu geben scheint, welche andere, faule "wir"-passive dazu bewegen muss, sich zu dem höherem aufzuschwingen, wo sich diese selbst sehen. durch die "geschlossenen schultern" wird hier das bild einer front erzeugt, welches unpassend ist. es handelt sich bei den besetzenden weder um eine homogene masse, noch um eine geschlossene gruppe. desweiteren ist dieses aggressive bild unvereinbar mit dem grundkonsens eines friedlichen protests. die gegenüberstellung von zusammen und kleingeist hinkt. millionen kleingeister, welche die basis für repressive, engstirnige systeme weltweit formen, zeugen von der vereinbarkeit. auf die worthülse "frei" und die letzten beiden verse wurde weiter oben schon eingegangen.


Ihr seht nur Grenzen stehen - die niemals untergehen

wir reden von hier mit der ganzen Welt


hier wird wieder einmal auf "die anderen" herab geredet. dazu auch noch mit einem argument (engstirnigkeit), welches dem autor bereits in der kritik der ersten strophe vorgeworfen wird. dazu wird "ihnen" hier unterstellt, den zeitlichen wandel nicht zu beachten, gegen welchen der autor ebenfalls immun zu sein scheint (s. refrain "wir bleiben ewig"). diesem makel wird "unsere" tugend entgegengesetzt, "mit der ganzen welt" zu reden. wird jedoch die art des autors, über nichtbesetzende/unpolitische/"sie" zu reden, zu rate gezogen, so scheint die formulierung "über die ganze welt" passender. dazu kommt, dass es sich bei der "ganzen welt" um eine reichliche übertreibung handelt, die dem autor eine weltoffenheit attestiert, die er nicht hat.



Wir sind das Netz, die Stimme, das Megaphon


Schließt euch der Sache an, der Raum bleibt besetzt


hier werden die besetzenden auf teilaspekte ihres politischen wirkens reduziert. zusätzlich werden monismen benutzt ("das [eine] netz", "die [eine] stimme", "das [eine] megaphon"), die das bild des einzelnen menschen als bloßen teil eines kollektivs unterstreicht und den pluralismus der weltweiten protestbewegungen negiert. die aufforderung, sich "unserer" (unfehlbaren, unhinterfragbaren und nicht weiter definierten) "sache" anzuschließen, ist wiedereinmal prophetisch, monistisch und engstirnig. was weiter oben bereits wiederholt anlass zur kritik war. der rest und das folgende ist lediglich wiederholung


Hoch den lauten Protest

Wissen ist kostbar - Bildung bleibt frei

Wir bleiben, komme was möchte


was wir befreit - hat uns schon gehört


Hoch nun, die Schultern geschlossen


Wissen ist kostbar - Bildung bleibt frei

Wir bleiben, komme was möchte


was wir befreit - hat uns schon gehört