Anrechnung außeruniversitärer Leistungen

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Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium (I) (Beschluss der KMK vom 28.06.2002)

1. Außerhalb des Hochschulwesens erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten können im Rahmen einer – ggf. auch pauschalisierten – Einstufung auf ein Hochschulstudium an gerechnet werden, wenn

1.1 die für den Hochschulzugang geltenden Voraussetzungen – ggf. auch über die Möglichkeiten des Hochschulzugangs für besonders qualifizierte Berufstätige – gewährleistet werden;
1.2 sie nach Inhalt und Niveau dem Teil des Studiums gleichwertig sind, der ersetzt werden soll;
1.3 entsprechend den Grundsätzen des neuen Qualitätssicherungssystems im Hochschulbereich die qualitativ-inhaltlichen Kriterien für den Ersatz von Studienleistungen durch außerhalb des Hochschulwesens erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der Akkreditierung überprüft werden.

2. Außerhalb des Hochschulwesens erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten können höchstens 50 % eines Hochschulstudiums ersetzen.

3. Die Anrechnungsregelungen für Studien- und Prüfungsleistungen, die an Berufsakademien erworben wurden, bleiben unberührt.

Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium (II) (Beschluss der KMK vom 18.09.2008)

1. Zielsetzung

Die Steigerung der Bildungsbeteiligung und die Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs in Deutschland sind angesichts der Anforderungen eines globalen Wettbewerbs zentrale Aufgaben der aktuellen Bildungspolitik. Die Verbesserung der Durchlässigkeit des Bildungssystems ist dabei eine wesentliche Voraussetzung, um vorhandene Potentiale zu erschließen und zu fördern. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist in diesem Zusammenhang der Übergang beruflich qualifizierter Personen in den Hochschulbereich unter Anrechnung außerhalb des Hochschulbereichs erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten, sodass sich die Studiendauer verkürzt und damit die Schwelle zur Aufnahme eines Studiums absinkt. Maßnahmen zur Förderung dieser Möglichkeiten müssen natürlich dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung Rechnung tragen. Dabei geht es sowohl darum, die notwendige Qualität der hochschulischen Ausbildung sicherzustellen als auch darum, den Schutz der Studieninteressenten vor unseriösen Bildungsangeboten zu gewährleisten. Der Aspekt des Verbraucherschutzes spielt insbesondere bei den unter Ziffer 2.2 dargestellten Franchise-Kooperationen eine wichtige Rolle.

Auch auf europäischer Ebene wird der Anerkennung außerhochschulischer Leistungen besondere Bedeutung zugemessen. So haben die europäischen Bildungsminister u. a. auf der Bologna-Folgekonferenz am 18.05.2007 in London auch festgestellt, dass die gerechte Anerkennung von Vorbildungen (prior learning), einschließlich der Anerkennung nicht-formellen und informalen Lernens, ein wichtiges Element des Europäischen Hochschulraums darstellt. Im Rahmen des Stocktaking für die Folgekonferenz 2009 in Leuven wird auch die Bundesrepublik Deutschland in dem bis Ende des Jahres vorzulegenden Nationalen Bericht zu Maßnahmen und Regelungen zur Anerkennung von Vorbildungen sowie zu den praktischen Erfahrungen mit den entsprechenden Anwendungsverfahren Stellung nehmen müssen.

2. Ausgangslage

Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung gibt es im Hochschulbereich zum Teil bereits seit vielen Jahren verschiedene Möglichkeiten, außerhalb des Hochschulwesens – also auch in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie in der beruflichen Praxis – erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein Studium anzurechnen, d. h. Studien- und Prüfungsleistungen zu ersetzen.

2.1.1 Die Hochschule prüft anhand der von dem Bewerber vorgelegten Unterlagen zu seiner Qualifikation, ob und in welchem Umfang diese Qualifikationen Teilen des Studiums nach Inhalt und Niveau gleichwertig sind und damit diese ersetzen können. Die Prüfung erfolgt individuell im Einzelfall.
2.1.2 Bei homogenen Bewerbergruppen – z. B. im Rahmen von konkreten Kooperationsabkommen zwischen Hochschule und beruflicher Ausbildungseinrichtung - kann die Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auch pauschal erfolgen. Eine Form der pauschalen Anrechnung liegt auch vor, wenn Teile des Studienprogramms an eine nicht hochschulische Einrichtung ausgelagert und dort durchgeführt werden (innerstaatliches Franchising).
2.1.3 Die Anrechnung von Kenntnissen und Fähigkeiten kann auch in Form einer Einstufungsprüfung erfolgen. In diesen Fällen wird in einem förmlichen, durch Prüfungsordnung geregelten Prüfungsverfahren der individuelle Kenntnisstand eines Bewerbers geprüft mit dem Ziel, ihn in ein höheres Fachsemester einzustufen, sodass ein im Einzelfall bestimmter Anteil des Studiums durch außerhochschulische Leistungen ersetzt wird.
Die Anrechnung außerhalb des Hochschulwesens erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium ist getrennt zu sehen von der Frage der Hochschulzugangsberechtigung, die immer Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, wobei Zugangsprüfung und Einstufungsprüfung verfahrenstechnisch und organisatorisch verbunden werden können.
Die Unis haben also relative Freiheiten über Ausgestaltung der Module. Problem: Jede Uni macht ihre eigenen Module unkoordiniert mit anderen Unis -> Gelichwertige Module oft nicht vorhanden -> Anerkennung schwierig, man kann sich als Student nicht auf Einstufung in das fortlaufende Semester verlassen
2.2 Grenzüberschreitendes Franchising

Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren eine Form grenzüberschreitender Zusammenarbeit hochschulischer und nichthochschulischer Einrichtungen in der Lehre etabliert, die unter dem Begriff „Franchising“ zusammengefasst wird. Die Ausbildung erfolgt in diesen Fällen ganz oder in Teilen an einer nichthochschulischen Einrichtung, die Gradverleihung durch eine Hochschule. Hierbei sind unterschiedliche Fallkonstellationen denkbar:

2.2.1 Bei der gradverleihenden Hochschule handelt es sich um eine deutsche Hochschule; die Ausbildung findet – ganz oder in Teilen – an einer nichthochschulischen Einrichtung im Ausland statt.
2.2.2 Bei der gradverleihenden Hochschule handelt es sich um eine ausländische Hochschule; die Ausbildung findet – ganz oder in Teilen – an einer nichthochschulischen Einrichtung in Deutschland oder im Ausland statt.

3. Weitere Handlungsmöglichkeiten

Die unter Ziffer 2.1 dargestellten Möglichkeiten der Anrechnung erhöhen die politisch gewollte Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Qualifizierung. Allerdings ist festzustellen, dass die Hochschulen von diesen in den Ländern – zum Teil auch kumulativ – bestehenden Möglichkeiten eher zurückhaltend bzw. noch nicht Gebrauch machen. Dies kann durch eine Initiative der Länder gefördert werden, die zum einen die Aufgabe der Hochschulen in diesem Prozess der wechselseitigen Öffnung deutlich macht und zum anderen aber auch ihre Funktion als Garanten für die Qualitätssicherung im Hochschulbereich stärkt.

Ausgehend von dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 28.06.2002 sind daher folgende Grundsätze festzuhalten:

1. In allen Fällen, in denen Teile eines Studiums, das zu einem Hochschulabschluss führt, durch nichthochschulische Leistungen ersetzt werden soll, entscheidet die Hochschule in eigener Zuständigkeit darüber, ob und in welchem Umfang eine Anrechnung erfolgen kann. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der inhaltlichen Ausgestaltung von Studiengängen, die im Zuge der Einführung der gestuften Studienstruktur noch zunehmen werden, einerseits, und der Vielzahl beruflicher Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten andererseits kann eine solche Entscheidung der Hochschule nicht ersetzt werden. Dies verpflichtet die Hochschulen allerdings auch, von den bestehenden Möglichkeiten der Anrechnung Gebrauch zu machen und Verfahren und Kriterien für die Anrechnung außerhalb des Hochschulwesens erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten in den jeweiligen Prüfungsordnungen zu entwickeln. Um den mit Einzelfallprüfungen verbundenen Aufwand zu reduzieren, sollten auch Möglichkeiten der Kooperation mit geeigneten beruflichen Aus- und Fortbildungseinrichtungen genutzt werden, die pauschalisierte Anrechnungen für homogene Bewerbergruppen ermöglichen.
2. Die Hochschulen sind Garant für die Qualität der von ihnen verliehenen Hochschulabschlüsse und –grade. Sie sind verantwortlich für die Qualitätssicherung der Studienprogramme sowie der Anrechnungsverfahren nach Ziffer 2. Dies setzt voraus, dass ein wesentlicher Teil der dem Hochschulabschluss zugrundeliegenden Ausbildung in der unmittelbaren Verantwortung, d. h. durch eigene Leistungen der verleihenden Hochschule stattfindet.
3. Im Interesse der Transparenz sind in das Diploma Supplement Informationen über den durch Anrechnung ersetzten Teil des Studiums aufzunehmen, die sich auf den Umfang und die Art der Ersatzleistungen beziehen.
4. Die Vorgaben des Beschlusses zur Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten sind im Rahmen der Akkreditierung als Qualitätsmaßstab zu berücksichtigen.
5. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz erfasst alle unter Ziffer 2.1 und 2.2.1 aufgeführten Möglichkeiten der Verleihung eines Hochschulgrades durch eine deutsche Hochschule unter Einbeziehung außerhalb des Hochschulwesens erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten.
3.2 Abschlüsse ausländischer Hochschulen

Der Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium bietet keine Handhabe bei Franchise-Konstellationen, wenn die Gradverleihung durch eine ausländische Hochschule erfolgt (Ziffer 2.2.2). Dabei bergen gerade die grenzüberschreitenden Kooperationen die Gefahr, dass die Qualitätssicherungsregelungen der beteiligten Staaten unterlaufen werden, sodass sich das Problem der Qualitätssicherung und des Verbraucherschutzes in diesem Bereich mit besonderer Dringlichkeit stellt. Fraglich ist allerdings, ob und ggf. welche Möglichkeiten der Qualitätssicherung mit EU-gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, insbesondere der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, und der EuGH-Rechtsprechung vereinbar und praktikabel sind.

Zwar wird inzwischen die Auffassung vertreten, dass eine Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit einer Gradverleihung nicht gänzlich ausgeschlossen ist und eine Anerkennung versagt werden kann, wenn eine hinreichende Verantwortung und Kontrolle sowohl für den Verlauf des Studiums selbst als auch für die Prüfungsleistungen durch die den Grad verleihende Hochschule nicht übernommen wird (Hailbronner, EuZW 2/2007, S. 39 ff.). Auch der „Code of good Practice“, der durch den Europarat im Zusammenhang mit der Lissabon-Konvention verabschiedet wurde und Prinzipien für grenzüberschreitende Hochschulprogramme postuliert, legt die Zulässigkeit einer Überprüfung der ordnungsgemäßen Gradverleihung nahe. Allerdings stellt sich die Frage, wie in solchen Fällen der konkrete Nachweis mangelnder Verantwortung und Kontrolle durch die ausländische Hochschule geführt werden kann.

4. Ergebnis

1. Der Beschluss „Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium (I)“ vom 28.06.2002 wird im Interesse einer Steigerung der Durchlässigkeit des Bildungssystems und der Qualitätssicherung im Hochschulbereich aufrechterhalten.
2. Der o. a. Beschluss ist Gegenstand der Überprüfung im Rahmen der Akkreditierung und als Qualitätsmaßstab zu berücksichtigen. Die „Ländergemeinsamen Strukturvorgaben gemäß § 9 Absatz 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen“ sind dementsprechend zu ergänzen.
3. Mit der Hochschulrektorenkonferenz ist Einvernehmen darüber herzustellen, dass im Diploma Supplement Art und Umfang von Anrechnungen außerhalb des Hochschulwesens erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein Studium kenntlich gemacht werden (ggf. unter Ziffer 4.3 Einzelheiten zum Studiengang oder 6.1 Weitere Angaben).
4. Anlässlich des nächsten Treffens der EU-Generaldirektoren für Hochschulbildung soll die Frage der Qualitätssicherung bei grenzüberschreitenden Bildungsangeboten im Hochschulbereich angesprochen und ggf. eine Übereinkunft dahingehend vorgeschlagen werden, das Diploma Supplement in allen Mitgliedstaaten entsprechend dem in Deutschland vorgesehenen Verfahren zu ergänzen.