Evaluationsbögen: Unterschied zwischen den Versionen
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* untergräbt den Mut zur offenen Kritik und Diskussion | * untergräbt den Mut zur offenen Kritik und Diskussion |
Version vom 4. Dezember 2009, 14:59 Uhr
Situation
Unter dem Stichpunkt "Qualitätssicherung" wird durch das Sächsische Kompetenzzentrum für Bildungs- und Hochschulplanung (KfBH) an der TU Dresden seit 1995 die Evaluation der Lehre in Form von anonymer Datenerhebung mittels Evaluationsbögen durchgeführt. Seit 1998 gibt es ein weitesgehend einheitliches Befragungssystem, das maschinenlesbare Fragebögen nutzt. "Anhand des Standardisierten Fragebogens können die Studierenden sowohl die Inhalte und Präsentation der Lehrveranstaltung bewerten als auch ihre Studienmotivation und im geringen Umfang die Rahmenbedingungen beurteilen." heisst es dazu auf der Seite des KfBH.
Dabei ist die durch diese Evaluationsbögen angestrebte "Qualitätssicherung" der Lehrqualität eher ab- als zuträglich. Die Probleme der Evaluation sind dabei je nach Studiengang unterschieldich und müssen auch "individuell" bezüglich der einzelnen Studiengänge betrachtet werden.
Die Probleme sind:
- nur scheinbare Äußerung der Kritik durch die Evaluation erstickt die ernstzunehmende Kritik
- Hinderung der Dozenten und der Studierenden an der Verbesserung der Lehre durch offene Zusammenarbeit
Die Evaluation der Lehre vermittelt den Studierenden das Gefühl, über die Evaluation einen Einfluss auf die Lehre nehmen zu können. Tatsächlich ist das nicht der Fall und die Ergebnisse der Lehrevaluation führen nicht zu einem Diskurs mit dem Lehrenden oder zu seiner Umschulung, um die Qualität der Lehre zu verbessern. Nach der Erhebung der Daten werden diese lediglich statistisch ausgewertet. Die Evaluationsergebnisse haben keine weiteren Auswirkungen. Dennoch werden durch die Evaluation der Lehre die Studierenden in den Glauben versetzt, dass sie zu Veränderungen des Lehrstils der betreffenden Lehrenden viel beigetragen haben. Damit werden die Studierenden jedoch daran gehindert, ihre Kritik am Lehrstil der Dozenten wirkungsvoll zur Sprche zu bringen und in einem (nicht anonymen) offenen Diskurs mit den Lehrenden an einer Verbesserung der Lehre zusammenzuarbeiten.
- Lehrende und Studierende werden gegeneinander ausgespielt
Ein weiteres Problem besteht darin, dass durch die Anonymität der Datenerhebung die unverhältnismäßig negative Bewertung ("Rache") sowie insbesondere vereinzelte unfreundliche Kommentare nicht verhindert werden können. Damit werden Studierende und Lehrende gegeneinander ausgespielt. Die Wahrnehmung der Dozenten durch die Studierenden wird von partnerschaftlicher Wahrnehmung ("Wir arbeiten gemeinsam an einem Ziel") in eine "tyrannische" Richtung ("Der Lehrende möchte uns erniedrigen und tyrannisieren") verschoben, weil die Lehrenden sich bei den Studierenden über die unverhältnismäßige negative Bewertung und unfreundliche Kommentare beschweren.
- untergräbt den Mut zur offenen Kritik und Diskussion
Die anonyme Datenerhebung fördert nicht, sondern untergräbt den Mut, sich Autoritäten offen, kritisch, aber auch diskussionsbereit entgegenzustellen. Eine offene Kritik an und Diskussionsbereitschaft mit Lehrenden findet in der Praxis nicht mehr statt (da ja alles anonym über die Evaluation abgewickelt werden kann).
- kaum tatsächliche Aussage über die Qualität der Lehre, sondern über die Belastung der Studierenden (sollte ich als Beleg einige Dozenten nach ihren Evaluationsgrafiken fragen und sie hier einfügen?)
- die Evaluation berücksichtigt die Erfahrungswerte und Fachkenntnisse der evaluierenden Studierenden nicht
Speziell im Fachbereich Mathematik der Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften (und vermutlich ebenso in anderen naturwiss. Fachrichtungen) gibt es viele Probleme mit der Lehrevaluation. Dort hat man das "Umstellungsproblem" - die Studierenden, die in den ersten Semestern eine starke Umstellung von der Schule zur Universität erleben (die sich insbesondere in diesem Fachbereich als ein großer Schritt erweist), sind frustriert und bewerten die Lehrenden in den ersten Lehrjahren besonders negativ - davon sind alle Lehrenden in gleichem Ausmaß und in allen Punkten der Evaluation betroffen. Mit steigender Semesterzahl der Studierenden steigt das durchschnittliche Evaluationsergebnis eines Lehrenden in allen Punkten. Das hat folgende Auswirkungen: hält ein Lehrender z.B. die Veranstaltungen Analysis I bis III innerhalb von drei Semestern, so steigt innerhalb der drei Semester sein Evaluationsergebnis in allen Punkten von durchschnittlich schlecht auf durchschnittlich gut. Fängt der Lehrende die Analysis-Vorlesung für einen neuen Jahrgang erneut mit Analysis I an, so fällt sein Evaluationsergebnis in allen Punkten erneut auf schlecht. Das kann nicht daran liegen, dass der Lehrende "auf einmal" sich wieder durch schlechte Lehre auszeichnet - der "Qualitätssprung" nach unten in der Lehre des Dozenten muss eine andere Ursache haben. Diese Datenerhebungen sagen also kaum etwas über die Qualität der Lehre des betreffenden Lehrenden aus, sondern über den Befindlichkeitszustand der Studierenden und den Leistungsdruck, der auf den Studierenden lastet. Außerdem haben die Studierenden in den ersten Semestern kaum Vergleichsmöglichkeit und nicht ausreichend fachliche Kenntnis, um die Kompetenz und Wissen der Lehrenden zu beurteilen.